Menschen erzählen sich seit jeher Geschichten. Sie gehören zu den ältesten und mächtigsten Mitteln der Kommunikation, die wir haben. In vorindustriellen Zeiten – als es noch keine Schrift gab – wurde Wissen in Geschichten verpackt und weitergegeben. Gelehrt und gelernt haben unsere Urahnen auf diese Weise.
Das Erzählen von Geschichten hat nach wie vor von seiner Wirkung nichts verloren. Theoretische und empirische Befunde weisen darauf hin, dass Storytelling den Umgang mit Komplexität erleichtert. Denn ein reduziertes Informationsgerüst ermöglicht es den Bezugsgruppen, Zusammenhänge leichter zu verstehen. Das erklärt, warum Storytelling heute als beliebtes Marketinginstrument eingesetzt wird.
Aus diesen Vorbetrachtungen und tiefergehenden Recherchen auf dem Gebiet des Storytelling, zeigte ich in meinem Talk auf dem UX Congress beispielhaft auf, wie der Buchungsprozess von Airbnb diese universell gültigen Erfahrungsmuster trägt und wie diese narrativen Mechanismen für das User Experience Design anwendbar gemacht werden können. Dabei stützte sich der Vortrag auf die wissenschaftlichen Werke der Heldenreise und Archetypen.
Die Heldenreise als Fundament für die Customer Journey
Der amerikanische Mythenforscher Joseph Campbell ist der Entdecker der ursprünglichen Heldenreise. Nachdem er zahlreiche Geschichten dieser Welt verglich, fand er heraus, dass sie alle eines gemeinsam haben: und zwar eine typische Situationsabfolge. Diese Struktur nannte er Monomythos. Sein Prinzip war und ist immer noch die Vorlage für die meisten Drehbuchautoren in Hollywood, die erst durch Christopher Voglers Adaption populär wurde.
Dass sich weltweit ein Erzählmuster erkennen lässt, spricht eigentlich dafür, dieses Muster auch bei der Gestaltung der User Experience zu adressieren. Der Grund dafür ist, dass es im Menschen bereits tief verankert ist. Dieses Erzählmuster wurde von Völkern verwendet, die nachweislich unabhängig voneinander entstanden sind. Es ist anzunehmen, dass diese Erzählmuster nicht von Menschen ausgedacht wurden, sondern dass diese Strukturen in der Psyche des Menschen wiederzufinden sind.
Die Heldenreise kann unter Berücksichtigung des Spannungsbogens den Strategen, Informationsarchitekten, Gestaltern und Entwicklern dabei behilflich sein, den Blick für konzeptionelle Schwächen zu schärfen sowie neue, inspirierende Impulse zu liefern. Aus diesem Ansatz heraus entwickelte sich eine konzeptionelle Denkrichtung, die sich anhand der Airbnb-App erklären lies:
@EnesUenal Super spannender Vortrag @ #UXcongress#Archetypen#Heldenreisepic.twitter.com/k5ahI2vrsM
— Sonja Roßbach (@TabPubNet) 6. Oktober 2016
"Der Held verlässt die Welt des gemeinen Tages und sucht einen Bereich übernatürlicher Wunder auf, bekämpft dort fabelartige Mächte und erringt einen entscheidenden Sieg. Dann kehrt er mit der Kraft, seinen Mitmenschen mit Segnungen zu versehen, von seiner geheimniserfüllten Fahrt zurück" (vgl. Campbell, 1999)
Die Folien zum Talk stehen übrigens auf Slideshare bereit:
Narrative Interaction Design von Enes Ünal
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Quelle: Campbell, Joseph (1999): The Hero with a Thousand Faces, 6. Auflage, übersetzt durch Koehne, Karl; eBook, Berlin: Insel Verlag