Wie sich eine Person verhält, hängt von unterschiedlichen Einflussfaktoren ab und ist deshalb nur schwer zu prognostizieren. Bei innovativen Produktideen ist allerdings genau das die Kunst: Schon vor der aufwendigen Produktentwicklung sagen zu können, wie der Nutzer auf das fertige Produkt reagieren wird.
Nutzerzentrierung, Validierung und Prototyping — all diese Elemente der digitalen Produktentwicklung sind zentrale Bestandteile unserer Arbeit bei Candylabs. Damit aus innovativen Ideen in Zukunft noch mehr erfolgreiche Produkte entstehen, teilen wir unsere Erkenntnisse in der Blogreihe “Die Psychologie nutzerzentrierter Innovation”. In diesem zweiten Blogpost veranschaulichen wir die verschiedenen psychologischen Einflussfaktoren, die das menschliche Verhalten determinieren. Und wir legen dar, wie es gelingt, nicht nur einen dieser Faktoren, sondern direkt das Nutzerverhalten in Form echter Reaktionen zu testen. Kein leichtes Unterfangen — weshalb wir mit einem praktischen Exkurs einsteigen.
Anna und Ben: Das Beispiel mit dem Datenschutz
Werfen wir einen Blick auf Anna, eine junge Produktmanagerin, und Ben, einen erfolgreichen Geschäftsführer. Im Fokus steht zunächst ihre jeweilige Haltung zum Thema Datenschutz. Anna ist grundsätzlich der Meinung das Unternehmen so wenig wie möglich über den Nutzer wissen sollten. Ben hingegen betrachtet das Thema Datenschutz persönlich als völlig nachrangig und geizt nicht damit, möglichst viel im Netz über sein Privatleben preiszugeben.
Als Angestellte eines Digitalunternehmens weiß Anna aber auch, dass die Nutzung persönlicher Daten für den Endverbraucher von großem Vorteil sein kann, insbesondere wenn sie personalisiert genutzt werden. Diese Art der Datenaufbereitung wird von ihr als Produktmanagerin erwartet und da sie ohnehin gefühlt keinen Einfluss auf die Entscheidungen ihres Unternehmens hat, entwickelt sie ein umfangreiches Modul, um noch mehr persönliche Informationen auswerten zu können.
Ben wiederum nimmt wahr, dass vielen Menschen der Schutz ihrer Daten extrem wichtig ist. Zudem wird von ihm als Geschäftsführer ein verantwortungsbewusster Umgang mit nutzerbezogenen Daten erwartet. Um kein wirtschaftliches Risiko einzugehen, fügt sich Ben dieser Erwartungshaltung, obwohl es ihm als Privatnutzer ziemlich egal ist, was mit seinen Daten passiert.
Einstellung, Norm, Kontrolle: Die Psychologie des menschlichen Handelns
Was steckt hinter den Geschichten von Ben und Anna? Beide Personas liefern uns in ihrer jeweiligen Rolle Erkenntnisse darüber, welche Faktoren sich auf das menschliche Handeln auswirken. Als theoretische Grundlage dient hier die “Theorie des geplanten Verhaltens” von Icek Ajzen, der vor knapp 30 Jahren nachgewiesen hat, dass unser Handeln von Subjektiven Normen, Wahrgenommener Verhaltenskontrolle sowie der Einstellung zum Verhalten beeinflusst wird.
Die Wahrgenommene Verhaltenskontrolle etwa hat einen unmittelbaren Einfluss auf das menschliche Verhalten, weil sie widerspiegelt, was wir glauben tun oder beeinflussen zu können. Dieser Faktor korrespondiert häufig mit einer gefühlten oder tatsächlichen Verpflichtung, wie zum Beispiel dem eigenen Beruf: Anna würde gerne im Sinne des Datenschutzes handeln, ihr Job lässt das aber nicht zu. Ben würde das Thema auch beruflich gerne entspannter angehen — kann er aber nicht, weil seine unternehmerische Verantwortung überwiegt.
Die Subjektive Norm hingegen beschreibt das Verhalten, das unserer eigenen Einschätzung nach einer Situation angemessen ist und damit den (subjektiv empfundenen) Erwartungen der anderen entspricht. Wie unterschiedlich dieser Eindruck sein kann, zeigt unser Exkurs: Während Anna die öffentliche Stimmung im Zusammenhang mit Datenschutz positiv wahrnimmt, stellt sie für Ben einen Störfaktor dar, dem er sich fügen muss.
Letzter Einflussfaktor ist die Einstellung zum Verhalten, also die Meinung des Einzelnen, über deren Einfluss auf das menschliche Verhalten wir in unserem letzten Blogbeitrag sehr ausführlich gesprochen haben.
Dieser Dreiklang aus den genannten Faktoren erklärt anschaulich, wie das menschliche Handeln zustande kommt. Als Entscheidungsgrundlage für Produktinnovationen taugt allerdings keiner von ihnen. Denn warum sollte man sich bei großen Investitionsentscheidungen auf einzelne fehlerbehaftete Faktoren verlassen, wenn man gleich den realen Effekt, die Nutzerreaktion, testen kann? Die entscheidende Frage lautet also: Wie können wir das “wahre” Verhalten testen, statt nur einzelne Faktoren zu überprüfen?
Authentische Produkte für echte Reaktionen
Zurück zu unseren digitalen Versuchskaninchen. Nehmen wir an, wir wollen eine neue Produktidee validieren, bei der Datenschutz eine entscheidende Rollen spielt. Ben und Anna wurden als mögliche Interessenten für das neue Produkt identifiziert. Statt die beiden nun also nach ihrer Meinung zur Verarbeitung von persönlichen Daten im Allgemeinen zu fragen, möchten wir wissen, wie sie in der Realität mit sensiblen Daten umgehen.
Welche Daten geben sie preis? Wären sie bereit einen Aufpreis zu zahlen, um den Service ohne Freigabe zur Datenverarbeitung zu nutzen? Und lesen sie überhaupt die Datenschutzvereinbarung? Das sind die erfolgskritischen Fragen, die wir vor der Produktentwicklung so beantworten müssen, dass sie ein möglichst authentisches Bild unserer potenziellen Kunden widerspiegeln. Die Lösung: Eine möglichst realistische und konkrete Präsentation des künftigen Produkts, um echte Reaktionen und damit valide Ergebnisse zutage zu fördern.
Produkte, die sich digital vertreiben lassen, haben hier den großen Vorteil, da sich ihre Reaktionsdaten schnell, effektiv und valide über das Internet erheben lassen. Bei Candylabs haben wir genau für solche Fälle unser Virtual Prototyping entwickelt — einen über mehrere Jahre ausgereifter Prozess mit dem wir bereits in über 60 Projekten digitale Produkte erfolgreich getestet haben. Eine Kombination aus hoch optimierten Landingpages, digitalen Werbeanzeigen, Tracking und Analytics ermöglicht uns, Performance-Daten zu sammeln und somit die Reaktionen der Nutzer bis ins kleinste Detail zu analysieren.
Ideation und Validation: Zweiklang mit Wirkung
Wer sich mit Innovation beschäftigt kommt an zwei Fragen nicht vorbei: Welches Problem will ich lösen? Und kann meine Idee dem Nutzer helfen?
Um die erste Frage, die stellvertretend für den Ideation-Prozess in der Produktentwicklung steht, zu beantworten, können qualitative Methoden wie Interviews oder Nutzerbefragungen sehr hilfreich sein. Sie sind geeignet, um Meinungsbilder einzufangen und Ideen für die weitere Produktentwicklung zu generieren. Was die Validierung anbelangt, also die Frage nach dem tatsächlichen Mehrwert, ist mehr nötig, als ein Spektrum an Meinungen. Und genau hier kommt das Virtual Prototyping ins Spiel.
Die Hürde für Unternehmen, Virtual Prototyping um- und einzusetzen ist vergleichsweise niedrig. Eine Voraussetzung lautet: mutig sein und einfach mal machen. Es wird sich lohnen. Wer Produkte zu einem frühen Zeitpunkt im Innovationsprozess testet und dabei den Nutzer in den Mittelpunkt stellt, schafft einen echten Mehrwert. Denn Virtual Prototyping sorgt auch dafür, dass man das Leistungsversprechen eines Produktes möglichst früh sehr konkret formuliert. So entstehen Produkte, die Kunden wirklich haben wollen.
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